JOHANNA      ZEUNER
ev.Theologin   pädagogin   autorin

Ordinationspredigt zu 2. Tim 1, 7ff.
Unterschützen/Burgenland am 12.10.2003

 

Gnade sei mit Euch                                                             

und Friede von Gott unserm Vater,

und unserem Herrn Jesus Christus - Amen


 

Liebe Gemeinde,


eine der ersten Unterschiede, die mir in Österreich begegneten, stammen aus dem Straßenverkehr.

Irritiert hat es mich zunächst - nun habe ich mich daran gewöhnt, und nun soll sie EU-konform bald abgeschafft werden: die flackernde Ampel...,

die ganz österreichisch gemach umschaltet, die vorwarnt und mir als Fahrerin Spielraum lässt.

In den letzten Wochen ist die Ampel auf Gelb gestanden und in den letzten Tagen begann sie beunruhigend zu flackern.

 

Der Text, der über meiner Ordination stehen soll - ist ein Text am Übergang. Von Gelb nach Rot für den, der ihn - so will es scheinen - schreibt, und von Gelb auf Grün für Timotheus, jenen vermeintlichen Schüler des Paulus, der seine Wege - auch des Leidens, mit Treue und manchmal wohl auch Mutlosigkeit begleitet haben soll...

 

 

2.Tim. 1, 6-10

 

 

Viel Verbundenheit kommt in diesem Text zum Ausdruck, und Wegweisung - Übergabe auch.

Timotheus wird festgemacht, befestigt, er-mahnt im positiven, liebevollen Sinn.

“Erinnere dich doch..., an deine Ordination, an den Geist, der Dir auf den Weg gegeben worden ist, der uns trägt“

 

Vielleicht sollte ich darüber in ein paar Wochen predigen, ich tue es aber jetzt, weil Sie nur heute da sind, und weil mich dieser Text schon länger, um nicht zu sagen lange, begleitet und wohl auch trägt.

 

„Denn es ist nicht...

ein Geist der Angst, sondern der Kraft der Liebe und der Besonnenheit“.

Eine positive Abgrenzung ist das, eine Konturierung unseres christlichen Seins.

Der Timotheusbrief zielt auf das Handeln...

Er will das gerechte, das soziale Tun des Christen - ohn’ all Verdienst und Würdigkeit...,ohne Überanstrengung.

„Jage nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe, dem Frieden mit allen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“ heißt es da ein paar Verse weiter.

„Timotheus, erinnerst Du Dich...?

 Erinnere dich doch - an deine Wurzel, an deinen Ursprung:

            Jesu deine Freude...“

Denn es ist nicht ein Geist der Angst, liebe Gemeinde...

warum hat mich das so getroffen?

Ich gehöre zu einer Generation, die von Jugendzeiten an, Angst hat - um ihre Zukunft. Natürlich sehen die Zukunftsbedrohungen vor unserer Zeit und heute an anderen Orten der Welt anders aus, konkreter, schlimmer.  Die Angst, mit der ich und manche aufgewachsen sind, ist die vor dem Knopfdruck der so vieles, der Leben auslöschen kann, vor Klimaveränderung, vor Arbeitslosigkeit und Einsamkeit.

Eine Furcht, die darin arg ist, dass sie nicht greifbar und doch existent ist - Die große Unsichtbare, der weiße Riese.

Der war in uns damals, ‚no future generation’ hat man uns genannt, als mich dieser Spruch traf, als Jahreslosung - des Jahres in dem ich ‚Ja’ sagte zu der Theologie.

„Denn es ist nicht ein Geist der Angst“, oder der ‚Resignation’, wie  meine Kollegin neulich übersetzte.

Nein ,“trotz dem wilden Drachen“. Eine ganze Theologie gegen die Furcht hat der kritische Katholik und Psychoanalytiker E. Drewermann in eben dieser - nun schon fast vergangenen - Zeit entworfen und damit Säle gefüllt.

 

Denn es ist nicht ein Geist der Furcht?

Wegwischen, oben drüber, wegreden, oder auch nur -drängen können wir das nicht: diese kollektiven Zukunftsängste, die Fragen von damals, sie stehen heute noch im Raum.

 

 

Aber -                         

glaubt man diesem Brief,

dann gibt es eine Macht dagegen -

einen Einspruch gegen den Tod.

Dann gibt es die Möglichkeit der Spirale der Angst zu entfliehen,

„dem Rad in die Speichen zu greifen“ (D. Bonhoeffer).

Kopf hoch und gerade zu

mir steht Jesus bei - und nicht nur mir.

 

Da heißt im 2.Tim 1, 9-10, zufällig dem Wochenspruch der letzten Tage:

„Er hat uns gerufen, nicht nach dem, was wir tun, sondern durch seine Gnade,

die uns gegeben ist durch Christus Jesus vor der Zeit der Welt.

Die jetzt aber sichtbar ist durch sein Dasein.

Denn Christus Jesus hat dem Tod die Macht genommen und das Leben samt seinem unvergänglichen Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“

 

Das klingt kompliziert, das klingt auch schön.

„Der Grund, da ich mich gründe“

oder:

ein Geist gegen den Tod,

ein Geist der beflügelt und befreit.

„Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 8,2)

diese Urworte des Paulus hat die Kantorei eben gesungen.

Das ist der Dreh- und Angelpunkt unseres protestantischen Glaubens,

der Lichtblick, den wir haben.

 

Von diesem Geist aus, einem Geist gegen die Angst - wächst ein Christ.

 

Als ich vorgestern meinen 15-jährigen Schülerinnen diesen Spruch vorlegte, war ich über ihre Erklärungen erstaunt. Da könnte man sogar meinen, auch wir haben so etwas wie ein ‚positiv thinking’ - ein ‚Positives Denken’ zu bieten.

Meine Schülerinnen drückten ihre Gedanken zu 2.Tim 1,7 so aus : 

 „Wir sollen nicht hoffnungslos durchs Leben gehen, sondern liebend, nachdenklich und kräftig“ und

 „Gottes Geist ist positiv und ausstrahlend, deshalb sollen wir nie aufhören und immer kämpfen“.

 

Und immer kämpfen...

„Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“,

Timotheus - so heißt es in dem ersten Brief an dich.

Und ich glaube das meint auch mich.

 

Da schlucke ich, denn selbst in Bachs Schlusschoral, den wir eben hörten, heißt es „denen die Gott lieben, wird auch ihr Betrüben Freud und Wonne sein.“

Ja , Timotheus, auch das scheint dazuzugehören,

zu unserem Auftrag, zum Amt.

Dazu hat Paulus ja aufgefordert

„Leide mit mir“ hat er dir gesagt.

 

Woran leiden wir - leiden wir als Kirche?

Vielleicht geht es uns gar nicht viel anders als damals. Der damalige Gegner hieß Gnosis, eine popularistische Zeitgeistbewegung suchender Art, new age von damals. Auch heute habe ich das Gefühl, werden solche pseudo- religiösen Bewegungen, ganz im Gegenteil zu der Kirche, die ein insgesamt schlechtes Image in der Öffentlichkeit hat, gestützt.

Das will ich nicht hier auf das Burgenland münzen, da spreche ich eher auch aus meiner deutschen Erfahrung.

Auf der Pfarrerkonferenz, auf der wir in dieser Woche waren, klagten allerdings auch meine Kollegen von hier leise, eben darüber:

„Kirche ist am Rand - bleibt mehr und mehr unbeachtet - wird Nische“

Unseren Beruf macht das nicht einfacher.

 

Manchmal frage ich mich, was muss geschehen, dass wir nicht mehr so ‚out’ sondern ‚in’ sind,

und ich merke, an unseren Bemühungen allein, die manchmal wie einsame Klimmzüge wirken, kann das nicht liegen.

„ Der Geist hilft unserer Schwachheit auf “(Röm 8,24)

Ich befürchte, es sind „wahrlich finstere Zeiten“, mit B. Brecht gesprochen, die uns wieder in die Mitte rücken, ins Licht.

Aber können und müssen wir auf die warten?

„Gott ist uns immer gerade heute Gott“ - hat der Theologe D. Bonhoeffer (1931) gesagt,

also auch in dieser, manchmal wie gelähmt wirkenden Zeit.

 

Der Geist der Stärke, der Nächstenliebe und der Selbstbesonnenheit gilt schon heute!

 

Er bindet uns ein in die Galerie der Glaubenden,

„Deine Mütter und Großmütter, aufrecht waren sie im Glauben Timotheus, erinnerst Du dich?“

und er weist auf ein mögliches gelingendes Morgen.

 

„Weicht ihr Trauergeister“ -

damit es wahrhaft Grün werden kann auf unserer Zukunftsampel, das Schiff das sich Gemeinde nennt fährt, braucht es - das habe ich begriffen als ich das erste Mal Gemeinde erlebte und baute - mehr als mich. Braucht es ‚Geschwister’ würde Paulus sagen, ‚Ehrenamtliche’ sagen wir heute in kirchlich kühlen Deutsch.

Geschwisterlichkeit, das ist es, was aus dem 2. Timotheusbrief klingt, Gemeinschaft die bleibt, auch wenn die Kirche von damals gerade auf der Schwelle stand - hin zur Institution.

 

„Denn es ist nicht ein Geist der Verzagtheit“,

des ‚Sich- nicht- Wert- Fühlens’ kann man auch übersetzten.

Sondern der Kraft, die aus der Befähigung kommt, die Gott uns gibt -

durch Christus Jesus, wie es in diesem Brief heißt -

aus der Befähigung, die lebt gegen den Tod.

Und ein Geist der Liebe untereinander,

des ‚Maßhaltens und gesunden Sinnes Seins’.

 

Dieser Spruch hat mich begleitet

nun gehe ich mit ihm durch eine Tür.

Vor mir liegt das weite und hoffentlich helle Land kirchlicher Arbeit.

 

2. Tim 1,7  -

Ein Spruch fürs Leben  - Einspruch gegen die Angst.

 

Unsere Zaghaftigkeit ist besiegt, ein neuer Geist kann Raum greifen

und uns beflügeln.

Ein Geist,

der Geist von Christus Jesus ,

der uns aus den Engen unseres Alltags reißt.

 

Das ist Salz der Erde. Ist das nicht einen Markt wert ?

 

Unser protestantisches Erbe und unsere protestantische Freiheit kann uns zu selbstbesonnenen und -bewussten, kann uns zu neuen Menschen machen.

 

Dazu verhelfe uns Gott. AMEN


 

Johanna Zeuner