JOHANNA      ZEUNER
ev.Theologin   pädagogin   autorin

Zu Jesaja 63, 15 - 16   

In: Glaube und Heimat, Thüringer Kirchenzeitung

 

 

Wo bleibst Du, Gott? - Godot?

 

Gott bleibt fern. Dem Beter dieses Klagepsalms und uns im Advent ?

Mitten in seiner Ankunft die Erfahrung seiner Abwesenheit.  Fern ist uns das nicht. Viel verstellt den Weg zur Weihnacht. Der Einkaufstrubel, eine  Politik ohne Konturen, alte Strukturen und vor alle dem: wir selbst.

„So blick nun herab und sieh“

der Beter dieses Psalms fordert. Er fordert seinen Gott auf. Hinsehen soll er auf unsere Niedrigkeit, auf unseren Streit und unsere Müdigkeit. Einen warmen Blick soll er wagen auf die winterliche Welt.

Advent - wir wollen es warm haben, eine zweite Kerze entzünden, uns einrichten. Der Beter des Psalms weiß, dass unsere Einrichtungen ohne Bleibe sind. Er lebt im Exil, viel hat er verloren, nur seinen Gott nicht. Von daher wagt er zu fragen.

Am Ende eines Jahrhunderts, in dem die systematische Vernichtung von Menschen  nicht nur einmal auf der Tagesordnung stand, fragen auch wir ?

Dass Advent eine Bußzeit ist, daran erinnern uns diese Verse des Propheten Tritojesaja.

Gott glitzert nicht. Die liturgische Farbe des Advent ist Lila, wie ‘Leid’. „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt“ schreibt Jochen Klepper 1938.

Viele Wünsche haben wir zum neuen Jahrtausend. Dass die Welt menschlicher wird und christlicher. Doch Gott kommt nicht ohne unser Fragen. Das Schweigen Gottes kann uns zum Reden bringen. Gott soll den Menschen vertrauen, das mahnt der Beter an. Bitten wir den, der im Kommen ist - durch die Spuren unserer Dunkelheit hindurch - den, der den Schleier  der Zeit zerreißt:

Du bist.  So also komm.

 

Johanna Zeuner,  Gotha (1999)